Das Jazzkollektiv feiert 2024 Bandjubiläum und veröffentlicht ein Live-Album mit Aufnahmen vom umjubelten Konzert bei Elbjazz-Festival sowie einigen neuen Bonus-Tracks.
Es gibt nur wenige Genussmittel, die mit der Zeit besser werden. Whisky und Wein zum Beispiel. Und natürlich die Jazzkantine. Seit dreißig Jahren hat sich diese Institution aus Brauntown mit ihrem einzigartigen Jazz-HipHop-Soul-Funk-DiscoParty-Sound den Ruf einer der besten Livebands des Landes erspielt. Bei über eineinhalbtausend Konzerten vor zigmal so vielen begeisterten Fans hat sich das hochkarätig – und immer wieder neu – besetzte Ensemble den Respekt verdient, den einer ihrer ersten Hits gleich für ein ganzes Genre einforderte. Schließlich ist ein Konzert der Jazzkantine jedes Mal mehr als das: ein Ereignis.
Viele Köche verderben den Brei? Nicht in der Jazzkantine. Die Liste der Gäste dieser kleinen Big Band reicht von James Brown-Mitstreiter Pee Wee Ellis über den WuTang-Clan bis zu Jazz-Stars wie Nils Landgren, Nils Wogram oder Till Brönner, von MPS-Legende Gunter Hampel über Tab Two-Trompeter Joo Kraus bis zum fantastischen Smudo. Das spricht ebenso für die musikalische Qualität und die Haltung der Band, wie die Liste der festen Bandmitglieder: aktuell trumpft die Jazzkantine neben Bandgründer Christian Eitner am Bass auch mit dem WDR-JazzPreisträger Heiner Schmitz am Saxofon, den Rappern Cappuccino und Pionier Tachi (dessen „Fresh Familee“ 1990 den ersten deutschsprachigen Song veröffentlichte) oder Soulsänger Albert N’Sanda auf.
Die Inspiration für die Jazzkantine kam vor drei Jahrzehnten von den britischen SoulJazz-HipHop-Bands Galliano oder Young Disciples, beide schon damals aus dem Umfeld von Tastemaker Gilles Peterson, sowie von amerikanischen Produktionen wie Rapper Gurus Jazzmatazz oder Quincy Jones „Back On The Block“. Während sich Letztere vor allem als Albumprojekte mit seltenen Konzert-Ausnahmen entpuppten, merkte das Ensemble aus Braunschweig schon bei den ersten Auftritten im FrannzClub in Berlin 1994, dass die meisten Menschen diese Musik am liebsten live erleben und vor allem spüren und dazu tanzen wollen – und sie als Musiker an diesem Gemeinschaftsgefühl mit sich und dem Publikum auch den größten Spaß haben. „Wir hatten von Anfang an Jazz im Namen“, meint Deutsch-HipHop-Urgestein Matthias Lanzer, der auch das Label Rap Nation gegründet hat. „Aber das war immer ernsthaft augenzwinkernd – und manchmal auch schon etwas drüber. Wir wollten den Spaß an Jazz und HipHop leben und ohne die überflüssigen Klischees genauso „Take Five“ wie „Highway to Hell“, Disco-Hits oder Volkslieder als Groove-Stücke spielen. Und natürlich eigene Kompositionen mit deutschen Rap-Texten.“ Auch ohne eindeutige Single-Hits bescherte ihnen dieses Rezept Erfolge im Radio und beim damals noch jungen Musikfernsehsender Viva.
Ihre Konzertreisen führten die Jazzkantine in dreißig Bandjahren auf Jazzfestivals von Montreux über das jazz open in Stuttgart, Jazz Baltica an der Ostsee oder Elbjazz in Hamburg bis nach Kaliningrad oder Südafrika. Dazu kamen „lauter Preise“, was sich in „Eine Ehre“ auf „Jazz-Polizei wird leise“ reimt, vom German Jazz Award über das Goldene Ohr bis zum Echo. Dass sie inzwischen in der Theaterversion von „Fleisch ist mein Gemüse“ das Tiffany Tanzorchester gegeben, dazu Ballett- und Theatermusik komponiert und Kinderreime arrangiert haben, spricht auch für die ungebremste Umtriebigkeit der Jazzkantine.
Die Aufnahmen vom Hamburger Elbjazz 2023 lassen spüren, dass ihnen die Spielfreude nie abhandengekommen ist. Und wie sich das gehört, gibt es als Nachschlag noch ein drei neue Tracks mit 30Songs in 3:33min, You don´t stop und Los.